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Junge Menschen sind Kirche. Das ist ein ernstzunehmender Fakt. Und dabei wollen wir nicht nur ein Teil der Kirche sein, sondern diese Kirche aktiv mitgestalten. So ein Freiraum ist die Ev. Jugendarbeit. Diese Mitgestaltung schafft Freiheit für neue Formate und Konzepte wie beispielsweise für Begegnungen, Gottesdienste, Raumnutzungen oder Freizeiten. Verantwortungsbewusst nehmen wir diese Freiheit wahr und in Anspruch. Für diese sollte die Landeskirche ausreichend Raum und Mittel, z.B. für das EJW, zur Verfügung stellen. “Selbstständig im Auftrag”[1] – diese Freiheit, die in der Präambel der Ordnung des EJW verankert ist und den Erfolg der ev. Jugendarbeit in Württemberg maßgeblich beeinflusst hat, muss sich auch zukünftig in der Bereitstellung und Selbstverantwortung ausreichender Ressourcen äußern.
Denn wir sollten auch so ehrlich sein und benennen: Wenn junge Menschen in der Landeskirche keinen Freiraum zur Gestaltung haben, werden sie diesen in anderen Kontexten suchen und sich engagieren.
Kirche in Gestalt der Ev. Jugendarbeit ist wichtig, damit junge Menschen von der guten Botschaft des Evangeliums erfahren und das Evangelium in Form gelebter Gemeinschaft spüren können.
Junge Menschen haben Visionen für die Zukunftskirche als Ort gelebten Glaubens und der Verkündigung. Mit diesen Visionen wollen wir Zukunftskirche gestalten, leben und teilen. Hier benötigt es in der württembergischen Landeskirche wichtige Formate, in denen wir ganz praktisch Demokratie erleben können und die eine regelmäßige Mitbestimmung und Mitgestaltung junger Menschen für die Zukunft sicherstellen.
Die jungen Menschen von heute sind die Erwachsenen von morgen. Wenn junge Menschen in der Ev. Jugendarbeit gelebtes Evangelium erfahren und Kirche als ihr Zuhause erleben, werden sie auch als Erwachsene ein aktiver Teil der Kirche sein.
Für uns Hoffnungsträger:innen beginnt eine gerechte Ressourcen-Verteilung mit einem Perspektivwechsel auf die finanzielle Situation: Anstelle nur Kürzungen vorzunehmen, sollten auch Investitionen in die Zukunft gefördert werden. Die zukünftig zur Verfügung stehenden Ressourcen müssen zukunftsorientiert eingesetzt und gerecht verteilt werden. Es muss darauf geachtet werden, was inhaltlich insbesondere in der beziehungsorientierten Jugendarbeit verloren gehen wird, wenn Kürzungen ohne eine Vision und rein finanzmathematisch entschieden werden.
Dafür braucht es eine Zielsetzung, eine Vision, die mit einer gerechten Ressourcen-Verteilung erreicht werden soll. Ohne eine solche Zielsetzung scheint die Zukunftskirche aus unserer Sicht aussichtslos.
Wir wollen der Realität weniger werdenden Ressourcen ins Auge sehen. Und zugleich braucht es aus unserer Sicht sowohl eine gerechte Ressourcenverteilung als auch eine inhaltliche Schwerpunktsetzung. Wir sehen – auch vor dem Hintergrund der Ergebnisse der KMU VI[2] – einen großen Bedarf in der Stärkung der Kinder- und Jugendarbeit. Eine Zukunftskirche muss gerade in diesem Arbeitsbereich ein starkes Zeichen der Unterstützung und auch der Ermöglichung setzen.
Und darum fordern wir, dass das EJW (wie andere Arbeitsbereiche auch) nicht ein Kürzungsvolumen von 31%, sondern von 10% bringen muss. Nur so kann auch zukünftig eine inhaltliche und organisatorische Unterstützung der Kinder- und Jugendarbeit in Bezirken und vor Ort gewährleistet werden.
Bei den anstehenden Kürzungen sollte auch bedacht werden, welche Arbeitsbereiche der Landeskirche bereits vorausschauend handeln, um auch mit weniger Ressourcen eine effiziente und zukunftsorientierte Arbeit zu gestalten.
Das EJW hat mit seinem schon seit 2021 aktiv umgesetzten Kürzungsszenario (das auf einen Zeitraum bis 2030 ausgerichtet war) gezeigt, dass es vorausschauend handelt.
Im Falle des EJWs heißt das konkret, dass bereits 2022 eine Entkopplung der Globalzuweisung von den Inflationsentwicklungen, sowie den Tarifsteigerungen stattgefunden hat. Durch die zusätzliche Senkung der Globalzuweisung um jährlich 1%, bei steigenden Lohnkosten, befindet sich das EJW bereits seit 3 Jahren in einem Prozess, der Einsparpotenziale identifiziert und umgesetzt und so neue Zukunftsperspektiven entwickelt hat.
Für einegerechte und zukunftsorientierte Ressourcenverteilung ist es aus unserer Sicht ebenso wichtig, dass nicht nur an der inhaltlichen Arbeit gekürzt wird, weil durch diese ungleiche Kürzung die beziehungsorientierte Arbeit erschwert wird. Für uns ist die beziehungsorientierte Arbeit auf allen Ebenen ein entscheidendes Kriterium für eine Zukunftskirche. Sie ermöglicht es, dass eine Zukunftskirche nah an den Menschen und ihren Bedürfnissen dran ist. Zugleich gilt alle Arbeit – inhaltliche und administrativ unterstützende – ist wichtig für eine zukunftsfähige Kirche.
Gerechte Kürzungen bedeuten auch, dass nicht nur in den verschiedenen Arbeitsbereichen gespart werden darf, um das eigentliche Problem der Versorgungslücke der Pension kirchlicher Beamt:innen zu schließen. So sollten in einer gerechten Ressourcenverteilung auch die Gehälter und Pensionsansprüche der Pfarrpersonen berücksichtigt und in die aktuelle Debatte miteinbezogen werden. Nur so gilt auch, was unser Motto sein sollte: Wir müssen gemeinsam nach vorn schauen und uns miteinander auf den Weg machen – jede:r in seinem:ihrem Bereich!
In einem weiteren Schritt sollten neben der Kirchensteuer auch alternative Finanzierungsmodelle für die Landeskirche und innerhalb in Betracht gezogen werden.
Die Ev. Jugendarbeit mit ihrer beziehungsorientierten Arbeit und ihren vielfältigen Angeboten hat eine große Relevanz für viele Kinder, Jugendliche und auch (junge) Erwachsene. Ihre Expertise im Bereich der Ev. Jugendarbeit sowie ihre Perspektiven sind für die Vision einer Zukunftskirche unabdingbar. Damit diese Vision für eine Zukunftskirche auch wirklich zukunftsfähig ist, muss sie von jungen Menschen mitgestaltet werden. Es bedarf daher Räume für die Beteiligung junger Menschen an einer solchen Vision. Das schließt eine selbstkritische Reflexion der Arbeitsbereiche mit ein. Auch in der Ev. Jugendarbeit müssen wir uns mit der bisherigen Gestaltung der Angebote des EJWs auseinandersetzen. Welche Konsequenzen ziehen wir aus „Jugend zählt 2“?[3] Wie bringen wir uns als Kirche mit der ev. Jugendarbeit in Zukunft neu in eine sich verändernde Gesellschaft ein?
Für uns ist klar: Die Qualität des Evangeliums nimmt nicht ab, nur weil Zukunftskirche nicht der institutionellen Größe des letzten Jahrhunderts entspricht. Angelehnt an Luther verstehen wir Christ:innen-Sein nicht als eine statische Größe, sondern als ein Prozess im Werden, der sich auch ständig im Sein der Kirche wiederspiegelt.
Eine Vision aus unserer Sicht der Hoffnungsträger:innen könnte so aussehen:
Kirche soll relevanter für die Gesellschaft werden, unabhängig von Ressourcenveränderungen.
Das ist mutig und es bedarf Hoffnung. Genau von dieser Hoffnung lebt die ev. Jugendarbeit. „[E]iner Hoffnung, die größer ist als sie selbst. Wir vertrauen darauf, dass in dieser Arbeit Gott selbst am Werk ist. Diese Hoffnung, von der wir leben, ist mehr als Optimismus im Sinne eines „wird schon nicht so schlimm werden“ und zugleich mehr als ein „Weiter so“. Diese Hoffnung macht Mut, loszugehen, zu gestalten und zu verändern.“[4]